| |

Stadtpfarrer
Johann Ritter
(1899-1986, amt. 1938-1986)
In einer Chronik der Pfarrei
Auerbach muss sicher ein eigenes Kapitel dem Mann gewidmet werden, der in unserer Zeit
fast ein halbes Jahrhundert lang an ihrer Spitze stand und überaus segensreich
gewirkt hat.
Priesterweihe 1922
Johann Ritter kam am 5. Januar 1899 in Obertrubach in der Fränkischen Schweiz
zur Welt. Mit zehn Jahren besuchte er in Bamberg das Gymnasium, von wo aus er im
November 1917 zum Militär einberufen wurde. Nach kurzem Einsatz bei der
Feldartillerie in den Vogesen wurde Unteroffizier Ritter im Spätherbst 1918
zu einem Lehrgang nach Grafenwöhr einberufen, doch eine Woche später war
glücklicherweise der 1. Weltkrieg zu Ende. Ab Februar 1919 begann er in München
mit dem Studium der Theologie, im Herbst 1920 folgte der Wechsel ins
Priesterseminar Bamberg.
 |
Am 2. April 1922 wurde Johann Ritter im Dom zu Bamberg zum Priester geweiht.
Die
erste Kaplanstelle war St. Bonifaz in Nürnberg,
wo ihm der dortige Pfarrer
Wolf, ein gebürtiger Auerbacher, den Rat gab,
einmal in seiner Heimatstadt Auerbach die
Pfarrei zu übernehmen. |
Über Rothmannsthal bei Lichtenfels (1928-1933) kam
Johann Ritter zum 16. Dezember 1933 als Pfarrer nach Hopfenohe. Dort baute er
die Pfarrkirche St. Peter und Paul 1934/35 gründlich um und an, ehe die
Schreckensnachricht über die Ablösung wegen der Erweiterung des Truppenübungsplatzes
die Hopfenoher erreichte. "Es war für mich eine der schwersten Stunden
meines Lebens, als ich das Allerheiligste aus der Kirche in Dornbach und
Hopfenohe entfernen mußte, die kurz vorher unter so großen Opfern und mit so
großer Liebe der Leute erbaut worden war. ... Wie viele Pfarrangehörige fragte
auch ich - Herrgott im Himmel, warum läßt Du das zu, daß Deine Heiligtümer
zerstört werden?" So schrieb Pfarrer Ritter zurückblickend 1963 in seinem
Pfarrbrief. Die Inneneinrichtung der Hopfenoher Kirche kam nach dem Krieg mit
Zustimmung von Pfarrer Ritter nach Troschenreuth, da das dortige Gotteshaus im
Frühjahr 1945 von amerikanischer Artillerie völlig zerstört worden war.
Pfarrer von Auerbach ab 1938
Lassen wir Pfarrer Ritter selber sprechen; "Ich mußte also fort von
Hopfenohe und mit schwerem Herzen mich nach einer anderen Pfarrei umschauen.
Wie ein Wink der Vorsehung war mir bei einer Zusammenkunft das Wort des
Geistlichen Rates Kupilas, der zu mir sagte: 'Ich bin krank, ich muß´auf
meine Pfarrei verzichten. Du bist der geeignete Mann, bewirb Dich darum.'"
 |
Der knapp vierzigjährige Johann Ritter
folgte diesem Rat und wurde
von Erzbischof Hauck mit Wirkung vom
1. November 1938 zum Stadtpfarrer von Auerbach ernannt.
|
Kirchenrenovierung 1938/39
An seiner neuen Wirkungsstätte warteten schon dringliche Aufgaben auf den
wortgewaltigen Priester. So bedurfte die Pfarrkirche einer dringenden
Renovierung. Die Finanzierung dieser Maßnahme, einschließlich
des Einbaus einer Heizung, neuer Kirchenbänke, eines neues Pflaster
und eines elektrischen Geläutes wurde möglich, weil die Ablösung des
"Heiligenwaldes" 120.000 Mark einbrachte. "Damals konnte man
voraussehen, daß die politische Lage früher oder später zum Kriege führt,
darum drängte ich auf beschleunigte Durchführung all der Arbeiten."
Über das sogenannte "3. Reich" schreibt Johann Ritter u.a.: "Ja,
es war für uns Geistliche ebenso wie für alle aufrechten Christen eine gefährliche,
und doch wieder eine schöne Zeit, weil auch viel Bekennermut vorhanden war. Das
zeigte sich besonders bei der Herausnahme der Kreuze aus der Schule. Damals
haben Hunderte von Frauen vor dem Rathaus protestiert, haben die Kinder jeden
Klasse neue Kreuze gekauft und in der Klasse mit Billigung der Lehrkräfte
angebracht. Die Partei mußte dem Druck nachgeben, die Kreuze kamen wieder
hinein, freilich den Ehrenplatz nahm das Hiltlerbild ein, die Kreuze mußten
seitwärts aufgehängt werden. Der Christ muß Bekennermut zeigen. Wer mich
vor den Menschen bekennt, werde ich auch bekennen vor meinem Vater, der im
Himmel ist. ... Es gab im 3. Reich viele Versager, viele Wetterfahnen, die
sich nach dem Wind der Zeit richteten. Es gab aber auch mutige Bekenner, unter
den Frauen mehr als unter den Männern." Pfarrer Ritter selbst war wegen
seines unerschrockenen Auftretens mehr als einmal einer Verhaftung nahe.
Gelübde zu Kriegsende
"Immer näher rückte die Front. Und am Ende des Krieges kam auch die
Bedrohung für Auerbach. Als Eingangstor zum Exerzierplatz sollte die Stadt
verteidigt werden. Zum Glück wurde dieser Befehl nicht ausgeführt. Ein Paar
Tage vor Kriegsende kam die SS nach Auerbach, hat Munition im Mädchenschulhaus
- jetzt Bäckerei Bock - gelagert, während ein feindlicher Flieger darüber
flog. Man erwartete die Bombardierung, die aber ausblieb. In diesen letzten
Tagen ging ich zum Pinzigberg hinauf, sah, wie mehrere Häuser von Nasnitz in
Brand geschossen wurden; da machte ich das Gelübde: Wenn Auerbach verschont
bleibt, dann will ich dafür sorgen, daß ein Kreuzweg errichtet wird.
An einem der letzten Tage kam in aller Frühe Herr Roithmeyer zu mir, der damals
bei der allgemeinen Kopflosigkeit die Führung übernahm und sagte: 'Herr
Pfarrer, gehen Sie in die Kirche, geben Sie mit dem Allerheiligsten den Segen,
daß der Heiland im Sakrament Auerbach beschützen möge, jetzt wird es
kritisch.' Ich tat dies. Es war auch kritisch. Am Gottvaterberg schlugen die
Granaten ein, in der Unteren Vorstadt wurden 2 Häuser in Brand geschossen. Da
sich aber die deutschen Truppen zurückzogen, auch im Exerzierplatz kein
Widerstand geleistet wurde, zogen die Amerikaner an Hitlers Geburtstag, am 20.
April in der Frühe kampflos in Auerbach ein.
Wenn alles gut abgegangen ist, so haben wir allen Grund, Gott zu danken. Der
Kreuzweg zum Pinzigberg soll eine dankbare Erinnerung an diese schwere, glücklich
überstandene Zeit sein, soll aber auch eine Mahnung sein, im eigenen Kreuz und
Leid fest auf Gott zu vertrauen und in der Tat zu befolgen, was die schönen
Verse auf den einzelnen Stationen uns sagen."
Bau des Caritasheimes 1948
Pfarrer Ritter war wohl zeitlebens neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit ein
guter Organisator und weitblickender "Geschäftsmann", der, wenn er
sich ein Ziel gesteckt hatte, dieses mit nahezu unbeirrbarem Eifer auch
verfolgte. So war er gerade in den Nachkriegsjahren bemüht, in seiner Pfarrei
kräftig mit anzupacken, um kleine und große Probleme zu lösen.
Dazu zuerst eine kleinere Aktion: "Das Erfordernis der Zeit war die Ausübung
praktischer Nächstenliebe angesichts der großen wirtschaftlichen Not in
weiten Kreisen. Es gelang mir, aus den Heeresbeständen der Bulag viele Hundert
Uniformen zu erhalten, die jahrelang in der Zeit der Kleidernot höchst
willkommen waren, vor allem als Anzugstoff für Erstkommunikanten. Freilich,
viele von denen, die damals froh waren über diese Stoffe, wollen heute nicht
mehr daran erinnert werden. Über Pfarrer und Caritas schimpft heute mancher,
der in diesen Notzeiten ihre Hilfe in Anspruch nahm."
Sein erstes großes Ziel war die Errichtung eines Caritasheimes, denn "die
Pfarrei hatte kein eigenes soziales Gebäude, in dem sie einen armen oder alten
Menschen verpflegen oder übernachten lassen konnte. Sie hatte für ihre
Jugend, für die Vereine keinen Versammlungsraum. Zum Wesen der Kirche gehört
auch die soziale Liebestätigkeit, zur Entfaltung des religiösen Lebens auch
das außerkirchliche Vereinsleben. Dazu ist ein entsprechendes Gebäude nötig."
Nach großen Schwierigkeiten, die u.a. zu einem mehrere Jahre dauernden Streit
zwischen Kirche und Rathaus führten, konnte im November 1948 das Caritasheim
bezogen werden.
 |
Das Caritasheim (Foto
um 1965)
wurde ab 1994 gründlich umgebaut
und
erweitert und schließlich
am 16. Oktober 1996 als
Alten- und Pflegeheim
St. Hedwig
neu eingeweiht. |
Schulschwestern in Auerbach
Dem Weitblick von Pfarrer Ritter ist es zuzuschreiben, dass sich 1948 die Schulschwestern
von Unserer Lieben Frau hier in Auerbach niederließen. Die Kongregation war aus
Marienbad vertrieben worden und fand zunächst in Michelfeld eine vorübergehende
Bleibe. Die dortige Oberin Neria, eine gebürtige Auerbacherin, schilderte
Pfarrer Ritter die Lage, der sofort schaltete und zu den heimatvertriebenen
Schwestern sagte: "Sie können sofort das Spital übernehmen und wohl
auch das Krankenhaus, Ihre Schwestern können als Lehrerinnen in der Schule
angestellt werden. Ist das Caritasheim fertig, dann stelle ich Ihnen einen
ganzen Stock zur Verfügung." So kamen die Schwestern nach Auerbach und
wohnten zunächst im Caritasheim, bevor sie am 1. Oktober 1953 ihr neues
Mutterhaus beziehen konnten.
Heute unterhalten die Schulschwestern eine Realschule und das Haus St. Josef. Darüber hinaus sind sie in der St.-Johannes-Klinik
und im Kindergarten tätig. Welcher Segen von unseren Schwestern seit ihrer
Ankunft 1948 hier in Auerbach auf unsere Heimat ausgegangen ist, braucht wohl
nicht besonders betont zu werden.
1954 Gründung der Marianischen
Männerkongretation (MMC
Auerbach) als Filiale von Cham (MMC
Cham)
Häuser für kinderreiche Familien
Nachdem in den Jahren 1953 bis 1955 der Pfarrsaal errichtet worden war, hatte
Pfarrer Ritter schon wieder ein neues Problemfeld im Auge: "Aus der Sorge
für die Kinder ist der Gedanke geboren, Häuser für kinderreiche Familien zu
bauen. Die Kirche muß immer dort eingreifen, wo Not ist. ... Die größte Not
unserer Zeit ist die Wohnungsnot kinderreicher Familien, die nicht über ein
eigenes Haus verfügen. Einmal sind große Wohnungen eine Ausnahme. Weiterhin
sind die Mieten bei größeren Wohnungen für minderbemittelte Familien
untragbar. Vor allem wollen die Hausherren nicht Familien mit mehreren
Kindern." Von dieser Überlegung her entstand 1956 in der Josefstraße das
erste "Kinderreichenhaus" mit sechs Wohneinheiten, 1959 und 1962
folgten zwei weitere mit jeweils sieben Wohnungen. Die Miete wurde dabei so
niedrig wie möglich gehalten.
Kindergärten, Altenwohnheime usw.
Pfarrer Ritter hatte alle Personen- und Altergruppen seiner Pfarrei, ja der
gesamten Bevölkerung im Auge und schätzte deren Lage realistisch ein. Ganz
egal ob über Caritasverein oder Kirchenstiftung, irgendwie gelang es ihm immer
wieder, das Geld für neue und dringende Projekte aufzubringen.
1965 konnten die ersten Seniorinnen und Senioren ins Hochhaus einziehen, wenig
später, 1972, öffnete daneben das "Frauenhaus" für allein stehende
Frauen seine Pforten; 1969 konnte der Fatima-Kindergarten in
der Wellucker Straße eröffnet werden.
 |
Der Marienkindergarten
beim Caritasheim
(heute
St. Hedwig)
konnte 1974 eingeweiht werden.
|
Auch die Einweihung des Kolpinghauses
1983 war nur möglich, weil Pfarrer Ritter das ehemalige Dr.-Merkl-Haus erworben
und Kolping zur Verfügung gestellt hatte.
All diese Projekte, die unter der Regie von Johann Ritter nach dem 2. Weltkrieg
in Auerbach durch die Pfarrei in Angriff genommen und durchgezogen wurden, wären
eigentlich Aufgaben für die politische Gemeinde gewesen; der Stadt wurde durch
ihn viel abgenommen. Aus dieser Erkenntnis heraus wollte der Stadtrat Pfarrer
Ritter auch zum Ehrenbürger ernennen, was er allerdings in seiner
Bescheidenheit nicht angenommen hat. So wird nun namentlich wenigstens eine
"Pfarrer-Ritter-Straße" im Neubaugebiet am Rosenhof an den Mann
erinnern, der 48 Jahren hier in Auerbach gewirkt hat.
Kirchen und Wallfahrten
Pfarrer Ritter sorgte nicht nur dafür, dass in seiner eigenen Pfarrei etwas
bewegt wurde. Er verstand es immer wieder, bei seinen Gläubigen Herz und
Geldbeutel zu öffnen, um auch in der weiten Welt Kirchen und soziale Bauten zu
finanzieren; ein großer Teil dieser Gelder kam aus seiner eigenen Tasche, denn
er war äußerst sparsam und praktisch bedürfnislos. Auf diese Weise wurden u.
a. Kirchen gebaut in Afrika, in Korea und in Polen.
Gerne erinnern sich Teilnehmer an die mit Pfarrer Ritter durchgeführten
Fahrten, sei es nach Altötting,
nach Rom, nach Fatima, nach Lourdes oder zu einem der anderen
Wallfahrtsorte des In- und Auslands.

Einer der Höhepunkte
im Leben von Pfarrer Ritter war
es sicher, dass er bei einer solchen Romfahrt im August 1983 zusammen mit dem
damaligen Heiligen Vater
Papst Johannes Paul II. (+ 2005) in dessen Hauskapelle in Castel
Gandolfo die hl. Messe
feiern durfte. Die Auerbacher Pilgergruppe wurde von dem aus Polen stammenden
Papst sogar in einer Privataudienz
empfangen.
Der Seelsorger
Neben all diesen Aktivitäten war Pfarrer Ritter in erster Linie natürlich
Seelsorger. Da diese Tätigkeit nicht so leicht mit Zahlen und Fakten
aufzuzeigen ist wie Bauwerke, muss dieses Kapitel bei seiner Würdigung
gezwungenermaßen kürzer ausfallen. Was sagen schon Zahlen über durchgeführte
Taufen, Hochzeiten oder Begräbnisse, über zelebrierte Gottesdienste und
gehaltene Predigten, ausgeteilte Kommunionen, Stunden im Beichtstuhl, tröstende
und aufbauende Worte im persönlichen Gespräch? Was sagt schon die Anzahl der
Priester- und Ordensberufe, die in diesen Jahrzehnten aus der Pfarrei
hervorgegangen sind?
 |
"Nun, ich habe mich bemüht,
so weit es möglich war, bei der menschlichen Armseligkeit und Gebrechlichkeit
ein ganzer Priester zu sein. Ich habe mich bemüht, Euch die ganze Wahrheit zu künden,
gemäß dem Apostelwort: Predige, ob gelegen oder ungelegen, ob es den Leuten
paßt oder nicht ... Ich habe Euch immer wieder eingeladen, aus den Quellen
lebendigen Wassers zu trinken im Empfang der heiligen Sakramente. Ich habe
Euch immer wieder aufgefordert zum Lobpreis Gottes im Besuch der Gottesdienste.
Schau ich zurück, so möchte ich mit der Gottesmutter ausrufen: Hochpreiset
meine Seele den Herrn, Großes hat an mir Gott getan! Ja, viel Großes und
Gutes ist geschehen, aber der Herr hat es getan. Manchmal sah ich sichtbar
dieses Eingreifen und den Segen Gottes. Darum Gott die Ehre!" |
Pfarrer Johann Ritter starb am 18. Oktober 1986 im 88. Lebens- und 65.
Priesterjahr und hat im Priestergrab auf dem Auerbacher Friedhof seine letzte
irdische Ruhestätte gefunden.
(Die wörtlich angegebenen Textstellen entstammen dem Auerbacher Pfarrbrief vom
Mai 1963)

letzte
Bearbeitung dieses Artikels:
10. Juli 2006

|