anno 1418
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Neues Rathaus für Auerbach
Als, wie aufgezeigt, kurz nach der Stadterhebung 1314 das erste Auerbacher Rathaus, die spätere Alte Stadtschreiberei, gebaut wurde, nahm niemand, auch nicht der damalige Pfarrer Hermann von Hartenstein, Anstoß daran, dass dafür zumindest ein Streifen des Kirchenvorplatzes mit hergenommen wurde. ´"Zu jener Zeit war eben alles eine geschlossene Einheit: Gotteshaus, Pfarrhaus, Rathaus und - zugehörig zu diesem Bezirk - auch das Lateinschulhaus, das ja ebenfalls den Kirchenplatz flankiert." (1)
Etwa 100 Jahre danach hatte sich diese Einstellung wohl geändert, und der damalige Pfarrer Konrad Dyemar (auch Diemar), der dieses Amt 1407 bis 1437 inne hatte, scheint ein eher streitbarer Zeitgenosse gewesen zu sein. Dyemar beklagte sich beim Landesherrn Pfalzgraf Johann von Neumarkt (reg. 1404 bis 1443) über insgesamt 13 Streitfälle mit dem Stadtmagistrat. Einer seiner Klagepunkte war, dass bei der Errichtung des Rathauses, vielleicht auch erst bei einer möglichen Erneuerung nach der Einnahme und der damit verbundenen weitgehenden Zerstörung Auerbachs durch König Ruprecht I. von der Pfalz (Vater des o. g. Pfalzgrafen Johann von Neumarkt) am 23. September 1400, eine Teilfläche des Kirchenvorplatzes überbaut worden sei.  
Johann schlichtete den Streit dadurch, dass er der Stadt ein neues Rathaus genehmigte.

Johann von Pfalz-Neumarkt, wie sein genauer Titel war,
kam 1383 in Neunburg vorm Wald
als Sohn des damals noch Kurfürsten Ruprecht III.
und seiner Ehefrau Elisabeth von Hohenzollern-Nürnberg
zur Welt. Sein Vater (Ruprecht III.) war ja seit 1329
durch die im Hausvertrag von Pavia erfolgte Zweiteilung des Nordgaus
Inhaber der Kurpfalz, zu welcher die Rheinpfalz
und die Obere Pfalz (heutige Oberpfalz) gehörte.
(Nach der Absetzung von König Wenzel 1400
wurde Ruprecht III. von der Pfalz deutscher König;
in der Herrscherliste ist er König Ruprecht I.)
1407 heiratete Johann in Kopenhagen
Katharina von Pommern-Stolp.
Nach dem Tod von Kurfürst Rupprecht III. 1410
wurde die Kurpfalz unter seine vier Söhne aufgeteilt.
Johann, der Zweitälteste, erhielt die Obere Pfalz,
deren Statthalter er bereits seit 1404 war.
Er wählte neben Neunburg vorm Wald  
vor allem Neumarkt zu seiner neuen Residenzstadt.
Dort ließ er ein Schloss und mehrere Kirchen errichten.
In Neumarkt in der Oberpfalz
steht auf dem unteren Marktplatz ein Brunnen
mit dieser Bronzestatue von Pfalzgraf Johann.

Urkunde vom 3. März 1418
Wir Johanns von gots genaden pfalltzgrawe bey Rein vnd Hertzog in Beyern Bekennen offentlich mit dem brief, das wir haben ange­sehen sullich getruwe willig vnd stete dienst, die vnß vnser burger gemeinigklich vnß Statte zu Awrbach gethan habend vnd vnß vnd vn­ser erbn in kunftigen zeiten thun sullen und mugen, vnd auch umb sunderlich lieb vnd gunst, die wir zu densel­ben vnsern burgern vnd vnser Statt zu Awrbach haben, und auch umb gemeyns nucz und frumens wil­len, die derselben vnser Statt vnd den purgern, Reichen vnd Armen, davon komen mugen. So haben wir yn die be­sunder genade gethan vnd yn gegunnet, .... , das sy ein rathawse pauen sullen vnd mugend in der Statt zu Awr­bach auf dem margte oder platzze ..... vnderhalb des hawses nach der Statt.

Dies sind die ersten sechs Zeilen - bzw. in der Abbildung nur die erste - der Urkunde, in welcher Pfalzgraf Johann mit vnßm anhangenden Insi­gel, gebn zu Sulzbach am Pfintztag vor dem Sontag alls man singet yn der heiligen kristlichen kirchen Letare in der Fasten nach kristi gepurtt vierzehen hundert vnd yn dem achtzehenden Jahre, den Auerbacher Bürgern den Bau eines neuen Rathauses genehmigte. (Pfintztag hieß übrigens früher der Donnerstag)


Stolz brachten unsere Vorfahren vor fast 600 Jahren
an ihrem neuen Rathaus das Wappentier der Stadt,
den Auerochs oder Ur an; das Foto zeigt eine dieser uralten,
gut erhaltenen Steinplastiken an der Südfront des mittelalterlichen Gebäudes.

Die Textstelle vnderhalb des hawses in der obigen Urkunde von 1418 gibt einen interessanten Hinweis auf das Nachbargebäude der alten Stadtschreiberei, die ehemalige „Büttelei“ (heute Oberer Marktplatz 12). Diesen Namen hatte es, weil hier jahrhundertlang Ratsdiener und Stadtknecht wohnten. Da in der Urkunde von „Haus“ schlechthin gesprochen wird, muss es sich um ein im damaligen Sinne „festes Haus“, eine Art Burg, gehandelt haben. Tatsächlich war es früher ein turmartiger Bau mit öffentlichen städtischen Funktionen. Im Erdgeschoß, also zum Marktplatz hin, befanden sich laut Salbuch von 1560 „die stettischen gefenknis“ und ein Kramladen.

Von 1902
bis zum Umzug in die Bahnhofstraße
im Oktober 1927
war in diesem Haus
(Oberer Marktplatz 12,
heute der Kirchenstiftung gehörend)
das Postamt untergebracht,
weshalb die ehemalige Büttelei
danach auch „alte Post“ genannt wurde.

... all protpecken, flaischhawer ...
Nun war das Rathaus in vergangenen Jahrhunderten nicht nur Verwaltungsgebäude, wie auch aus besagter Urkunde hervorgeht; es heißt dort u.a.: „... vnd sullent auch fürbasser all protpecken, flaischhawer, fragner (Kleinhändler), kramer vnd ander die stets vnd über Jahr failsachen kauffen oder verkauffen, darvnder failhaben vnd verkauffen vnd sußt nydert (sonst nirgends) in der Stat, vnd sullent davon gewonlich glich vnd billich zinse geben, ein yglicher nach vermugen vnd zeitlichen dingen vnd nachdem alsdann der Rate in vnser Stat zu Awrbach denselben zinß einem yglichen scheppfet vnd aufsetzzt. Die Außleut (auswärtige Händler) sullent uff dem rathawse an jarmergkten gegn gleichen zinse fail­halten. Vnd was also zinses gulte vnd nutzung von demselben hawse oben vnd vnten gefellet (eingeht), die sullent der Stat vnd den burgern gemeiniklichen, Rei­chen vnd Armen, zu nutzz vnd frumen komen.“
Kurz gesagt: Das Rathaus war zumindest in weiten Teilen ein Geschäftshaus, in dem Handel und Gewerbe blühten. Auch eine Art „Gewerbesteuer“ wurde dafür bereits erhoben, wie die Urkunde von 1418 bezeugt.

Zerstörung durch die Hussiten 1430
Das kurz nach 1418 fertig gestellte zweite Rathaus der Stadt, jetzt schon an seinem heutigen Platz, hatte in seiner ursprünglichen Form keinen langen Bestand. Denn ein gutes Jahrzehnt nach seiner Errichtung kamen im Winter des Jahres 1429 die Anhänger des auf dem Konzil von Konstanz 1415 als Ketzer verbrannten Jan Hus aus Böhmen zu uns in die Oberpfalz.

Johann oder Jan Hus (um 1372 bis 1415)
wurde 1400 zum Priester geweiht.
Zu Beginn des Heiligen Jahres 2000
würdigte Papst Johannes Paul II. (reg. 1978-2005)
den sittlichen Mut des Jan Hus
und bat um Vergebung dafür,
was ihm und seinen Anhängern
die Kirche im 15. Jahrhundert angetan hat.

Am 9. Februar 1430 nahmen die Hussiten Auerbach ein, plünderten alles, was ihnen interessant erschien und legten die Stadt mehr oder weniger in Schutt und Asche. Die meisten Bürger hatten sich durch die unterirdischen Fluchtgänge in Sicherheit gebracht, und mussten so das Brennen ihrer Anwesen aus der Ferne tatenlos mit ansehen.
Auch die Kirche und das schöne neue Rathaus wurden praktisch zerstört. Ziemlich sicher nahm dieses zweite Rathaus nur den östlichen, zum Oberen Marktplatz hin gelegenen Platz des heutigen Rathauses ein, war also kleiner als jetzt.
In den folgenden Jahrzehnten richteten die mehr oder weniger all ihrer Habe beraubten Bürger das Rathaus notdürftig wieder her und ein. Zu einem Neubau fehlte zunächst das Geld, obwohl Pfalzgraf Johann wegen sullchen beschedung, als leider unser burger zue Awrbach von den verdampten Ketzzern aus Böheimb mit prant und ander beschedung entpfangen haben (3), die Stadt 15 Jahre lang von allen Steuern und Abgaben befreite. Damit sich die Stadt leichter wieder erholen konnte, stiftete Johann 1431 den noch heute vorhandenen Bürgerwald.
Christoph, Sohn von Johann (+ 1443) und sein Nachfolger als Pfalzgraf, der seit 1437 auch König von Dänemark, Schweden und Norwegen war, gewährte weitere  acht Jahre Steuerbefreiung bis 1451.

Dieser Ausschnitt aus einem Stadtplan von 1839 zeigt die Situation der Anwesen um Kirche und Rathaus: Nr. 78 ist das heutige Rathaus, Nr. 79 die Alte Stadtschreiberei mit Nebengebäude, Nr. 80 das spätere Fisch-Michl-Haus, Nr. 81 das 1793-1891 als Schulhaus genutzte Gebäude, Nr. 82 und 83 zwei ehemalige Benefiziatenhäuser (heute Pfarrheim Arche), Nr. 89 der Pfarrhof, Nr. 90 die ehemalige Lateinschule und Nr. 93 die ehemalige Büttelei (Alte Post). Nr. 65 war das ehemalige Landgericht, und Nr. 68 der Gasthof zum Adler (Specht).
Mit eingezeichnet sind auch drei der damals vier öffentlichen Röhrenbrunnen, nämlich der auf dem Marktplatz, der vor dem Pfarrhof (Nr. 89) und der Laurentiusbrunnen vor dem Anwesen Nr. 257 in der heutigen Dr.-Heinrich-Stromer-Straße. (Der vierte stand vor dem Anwesen 114, heute Unterer Markt 9)

Neubau oder Wiederherstellung 1524
Etwa ein Jahrhundert nach der Erbauung (1418) und der Zerstörung des Auerbacher Rathauses durch die Hussiten (1430) hatten sich die Bürger wieder so weit erholt, dass sie entweder ein ganz neues Gebäude errichten oder zumindest das alte wieder einigermaßen herstellen konnten. Diese schöne Steinplastik rechts neben dem Hauptportal auf Höhe des ersten Stockwerkes stammt von 1524 und zeugt von diesem Ereignis. 

Das uralte Relief
an der Südfassade zeigt
das städtische Wappentier,
darüber die gotische
Jahreszahl 1524,
und daneben wohl,
wie damals häufig
üblich, die Köpfe
des Baumeisters
und seiner Frau.

verwendete Quellen

1 Anders, Hubert, Auerbachs Rathaus, in Der Neue Tag vom 24. März 1968
2 Urkunde vom 3. März 1418, Archiv der Stadt Auerbach (UkNr 6.0039)
3 Urkunde vom 25. Februar 1430, Archiv der Stadt Auerbach (UkNr 6.0043)
4 Detail aus einem Stadtplan von 1839; Vorsatz zu Kugler, Hans Jürgen, Auerbach in der Oberpfalz - Die Geschichte seiner Häuser und Familien (Band 1), Auerbach 2008

letzte Bearbeitung dieses Artikels am 8. Oktober 2014

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