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Vor 100 Jahren
(am 30. Juni 1910)
1. Schuss im Truppenübungsplatz Grafenwöhr
Aus einer ähnlichen Feldhaubitze
feuerten am 30. Juni 1910 Soldaten des
2. königlich-bayerischen Fußartillerie-Regiments
den offiziellen "1. Schuss" im neu
eingerichteten Truppenübungsplatz Grafenwöhr ab. Schütze soll der Kanonier
Michael Kugler aus Nitzlbuch gewesen sein, der in
der 3. Batterie diente. (4, Seite
19)
Dieses alte Foto (aus 5) zeigt Angehörige der
Bayerischen Fußartillerie an an
einer 15 cm Ringkanone.
Das Datum der Abgabe des 1. Schusses (30. Juni 1910) gilt allgemein als Geburtsstunde des
Truppenübungsplatzes Grafenwöhr. Dessen 100. Geburtstag
feierten Ende Juni/Anfang Juli 2010 die Stadt
Grafenwöhr, das Joint Multinational Training Command der US-Army, die Militärgemeinde
Grafenwöhr, die Dienststelle des Deutschen Militärischen Vertreters der
Bundeswehr und das Bundesforstamt gemeinsam.
Die Anfänge
des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr
Die
Notwendigkeit zur Einrichtung eines neuen Truppenübungsplatzes ergab sich am 1.
April des Jahres 1900 durch die Aufstellung eines III. Bayerischen Armeekorps
mit Standort Nürnberg.
Angehörige des III. Bayerischen Armeekorps
Nürnberg (1915)
Die beiden bereits bestehenden
Korps hatten ihren Sitz
in München und in Würzburg, die Übungsplätze dazu waren auf dem Lechfeld und
in Hammelburg.
Auf dem Lechfeld,
wo 955
eine Schlacht
stattgefunden hatte,
wurde 1864
ein Truppenlager
errichtet und 1912
der Flugbetrieb begonnen.
Heute ist es u. a. Standort
des Jabo-Geschwaders 32. |
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Der Truppenübungsplatz
Hammelburg
wurde 1895/96 angelegt.
Er dient noch heute
der Bundeswehr
zu Ausbildungs-
und Übungszwecken.
U. a. ist hier die
Infanterieschule
der Bw
stationiert. |
Nun brauchte auch das
neu aufgestellte III. Armeekorps ein eigenes Gelände als Übungs-
und Schießplatz.
Nach eingehenden Prüfungen, Überlegungen und Planungen schrieb Generalmajor
Lobenhofer als Vorsitzender des Erkundungskommandos am 5. Juli 1904 an das Königlich
Bayerische Kriegsministerium über das Objekt Grafenwöhr: „Im Besonderen wäre
noch zu bemerken, daß sowohl der südöstliche Teil ... als auch ganz besonders
der nordwestliche ... sich als Übungsplatz für eine Infanteriebrigade
besonders gut eignen, während letzterer auch für Übungen von
Kavallerieregimentern und -brigaden ein sehr günstiges Gelände darstellt.“
(1, Seite 21)
Schließlich genehmigte
am 9. Dezember 1906
Luitpold (1821-1912),
dritter Sohn
des bayerischen Königs Ludwig I. und
Prinzregent (1886-1912) von Bayern
schriftlich die Errichtung
des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr.
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"Mit der Entscheidung für Grafenwöhr
war auch das Schicksal von neun Weilern und Gehöften und einer kleinen
Ortschaft besiegelt, die nun im künftigen Platz lagen. Es waren dies:
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aus dem Gemeindebereich Pappenberg die
Ortschaft Annahütte und die Weiler und Gehöfte Wolfslegel, Grünhund und
Ziegelhütte, |
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aus dem Gemeindebereich Langenbruck die
Weiler Erzhäusl, Schwarzhäusl und die Obere und Untere Schmierhütte, |
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sowie die Nagelschmiede bei Hütten,
Flügelsburg aus dem Gemeindebereich Seugast und die zu Leuzenhof gehörende
Hirschmühle." (2, Seite 39) |
Zunächst
war eine Gesamtfläche von ca. 9.054 ha vorgesehen. Ungefähr zwei Drittel dieses
Areals (Karte aus 3, Seite 11) waren bereits Staatseigentum, der Rest musste von 695 Eigentümern für
über 6 Millionen Mark erworben werden.
Schon Anfang 1907 begann der Erwerb der in Frage kommenden Grundstücke, und im Sommer
begann die Räumung der ersten Ansiedlungen. Insgesamt
waren rund 240 Menschen von der Maßnahme betroffen, und mussten in den
folgenden Monaten ihre angestammte Heimat verlassen.
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Mit
dieser Verordnung
des Königlich Bayerischen
Kriegsministeriums
vom 27. März 1908
bekam das Gelände mit
"Allerhöchster Entschließung“
vom 20. des Mts.
die offizielle Bezeichnung
„Truppenübungsplatz
Grafenwöhr“.
Zugleich wurde eine
Garnisonsverwaltung
errichtet.
(aus 1, Seite 28) |
Erster
Kommandant
des Übungsplatzes
wurde im Frühjahr 1910
Generalmajor
Oskar Menzel.
Er stammte aus Weiden
und war bis zum
Ende des Krieges
(1918)
im Amt.
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Eigenes Militärforstamt
Der alte Truppenübungsplatz hatte eine
Gesamtfläche von ca. 9.160 ha, wovon immerhin über 5.700 ha bewaldet waren.
Dieser Waldbesitz stammte zum größten Teil (5.464 ha) von den staatlichen
Forstämtern Grafenwöhr und Vilseck. "In der Erkenntnis, daß eine
möglichst intakte Umwelt zu einem Truppenübungsplatz gehört und nur eine
natürliche Umgebung eine wirklichkeitsnahe Ausbildung der Soldaten ermöglicht,
wurde schon seit Gründung des Platzes großer Wert auf die Erhaltung der Landschaft
gelegt." (3, Seite 24)
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Mit Wirkung
vom 1. April 1910
wurde ein eigenes
Militärforstamt
auf dem
Truppenübungsplatz
Grafenwöhr
eingerichtet.
(aus 1, Seite 33) |
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Neben den Wasserturm
wurde das Forstamt
gebaut. Es war sowohl
Dienst- als auch Wohnsitz
des Amtsvorstehers.
Heute wohnt in diesem
schmucken Gebäude
der jeweilige Kommandeur
des Ausbildungskommandos
(7th Army JMTC). |
1. Schuss am 30. Juni 1910
Nachdem
der Platz für den Manöver- und Schießbetrieb freigegeben war, erfolgte am 30.
Juni 1910 ein erstes Artillerieschießen durch
Angehörige des 2. königlich-bayerischen Fußartillerie-Regiments aus Ingolstadt.
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Offizier der
bayerischen
Fußartillerie
(um 1810!) |
Die folgende Gedenktafel an den „ersten Schuss“ im Truppenübungsplatz Grafenwöhr
stand an der alten Vilsecker Straße (in der heutigen Impact Area).
Sie
trug folgende Aufschrift:
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„O Wanderer, stehe still
und hör, was ich dir
sagen will.
25 Meter südlich dieser Stelle
hat am 30. Juni 1910
früh 8
Uhr
eine 15-cm-Granate 80 Z
aus s.
Feldhaubitzen
v. der Grünhundhöhe
kommend
als erstes Artillerie-Geschoss
auf dem Truppenübungsplatze,
800 m
vor dem Ziele
ihren Geist aufgegeben. R.I.P.“ |
Heute steht eine Nachbildung der
originalen Erinnerungstafel im Zielgebiet A des Truppenübungsplatzes
Grafenwöhr bei der Flurbezeichnung "Im Dreieck". (4, Seite 19)
In
den folgenden Jahren war der Übungsplatz in den Sommermonaten praktisch immer
voll ausgelastet mit übenden Truppen, im Winter fanden überwiegend Aufräumungs-
und Instandsetzungsarbeiten statt. Die rund 250 mit einem Kostenaufwand von rund
9 Millionen Mark errichteten Gebäude boten Platz für ca. 350 Offiziere, 8.500
Unteroffiziere und Mannschaften und über 3.700 Pferde.
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Die
meisten Häuser
waren schmucke
Fachwerkbauten
im benachbarten
fränkischen Baustil.
Sie werden heute noch
vom Wahrzeichen
des Platzes,
dem 34 m hohen Wasserturm
überragt. (Foto s.o.)
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Für die Stadt Grafenwöhr bedeutete die Errichtung des
Truppenübungsplatzes unmittelbar vor ihren Toren durchaus einen Aufschwung. So wuchs von 1909 bis 1910 die
Einwohnerzahl von bisher 961 auf immerhin 1841 an. "Die militärische
Einrichtung bot Hunderte von Arbeitsplätzen, die Kommandantur beschaffte
Verbrauchs- und Bewirtschaftungsgüter am lokalen Markt, die Geschäfte und das
Gastgewerbe am Ort profitierten von den Konsumausgaben der
Garnisonsangehörigen." (2, Seite 42 f)
Die ersten vier Jahre war der
Truppenübungsplatz Grafenwöhr auch Heimat des 3. Feldartillerie Regiments
"Prinz Leopold", das zum 1. Oktober 1914 in die neu gebaute
Artilleriekaserne (Leopoldkaserne; heute Panzerbrigade
12) nach Amberg verlegt wurde.
Bei
den Soldaten allerdings
war der Platz bald gefürchtet,
nicht zuletzt wegen
der strengen Winter mit viel Schnee.
Sie nannten ihn
deshalb auch
„Kleinsibirien“ oder „Strafenwöhr“.
Ein geflügeltes Wort war
„Wer Vater und Mutter nicht ehr´,
der kommt nach Grafenwöhr“ |
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verwendete und weiterführende Quellen
1 |
Mädl, Helmut, Die Geschichte des Truppenübungsplatzes
Grafenwöhr, Grafenwöhr 1980 |
2 |
Burckhardt, Paul, Die Truppenübungsplätze
Grafenwöhr, Hohenfels, Wildflecken; Weiden 1989 |
3 |
Griesbach, Eckehart, Truppenübungsplatz Grafenwöhr, Behringersdorf 1985 |
4 |
Morgenstern, Gerald, Truppenübungsplatz
Grafenwöhr, gestern - heute, Grafenwöhr 2010 (Bezugsquelle) |
5 |
Dietl, Hermannm, privates Archiv, Grafenwöhr |
letzte Bearbeitung dieses Artikels am 26. Juni 2020
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