Das Siechenhaus
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Außerhalb der Stadtmauern, „an der angenehmen Straß nach Michlfeld, auf einer Anhöhe mit heiterer Aussicht auf die Stadt“, wie Neubig 1839 schrieb, stand einst seit alten Zeiten das Leprosen- oder Siechenhaus.
Schon „1350 verschaffte Anna Sturmyn aus dem Hofe zu Unterdornbach allen Zehent zum Siechenhaus, „domit soll man dass hauß bessern, zw hilff vnd trost den Armen sondersiechen ..““. Für die Verwaltung dieses Siechenhauses, nach dem heute das ganze Wohngebiet „am Siechen“ bezeichnet wird, stellte der Magistrat früher einen eigenen „Siechherrn“ an.
Wer waren nun die Bewohner des Siechenhauses? Wahrscheinlich waren es nach Neubig zunächst „nur die aussätzigen Ueberbleibsel aus den großen Kreuzzügen ins gelobte Land“, also die mit ansteckenden Krankheiten zurückgekehrten Kreuzfahrer. In der Tat waren vom 11. bis 13. Jahrhundert an den Zügen der abendländischen Christenheit zur Befreiung Jerusalems und des Heiligen Landes von der Herrschaft der „Ungläubigen” auch zahlreiche Männer aus unserer Heimat dabei gewesen. Und sicher sind auch einige wenige davon krank zurückgekehrt. Sie fanden eine Bleibe als „Sondersieche“ in besagtem Leprosenhaus im Bereich des heutigen Siechens.

Während des 30jährigen Krieges (1618-48) und danach konnten dort auch zurückgebliebene und nun heimatlose Soldaten der verschiedenen Heerhaufen einige Zeit biwakieren.


Als Überbleibsel des schrecklichen Krieges zogen oft ganze
Gruppen von Invaliden mit ihren Familien von Ort zu Ort, aber
auch heruntergekommene Gestalten, die trotz Ende der Kämpfe
weiter plündern und brennend die Menschen bedrängten.

Da ging es oft hoch her, im Auerbacher Siechenhaus. Unter den halb verwilderten Insassen gab es keine Rücksichtnahme. Gesunde und Kranke, Verstümmelte und Verkommene, Trinker und Spieler mussten auf engstem Raum miteinander auskommen. Viele der „Sondersiechen“ unterschieden nicht mehr zwischen Mein und Dein, es kam häufig zu Streitereien und Schlägereien, die nicht selten mit Mord und Totschlag endeten. Auf den Übriggebliebenden wartete schon der Galgen auf dem Galgenberg. Zahlreiche Bewohner des Siechenhauses starben keines natürlichen Todes. Die Auerbacher mieden schon damals den Weg vorbei am Siechenhaus.
Gut hundert Jahre später verfiel das einstmals als gute und segensreiche Einrichtung gestiftete Siechenhaus allmählich. Es geriet fast in Vergessenheit, wenn nicht immer wieder, vor allem in November- und Dezembernächten, unerlöste Seelen laut klagend und wimmernd und von fletschenden Hunden gehetzt über die angrenzenden Äcker und Wiesen irrten und huschten. Das soll auch in unseren Tagen noch beobachtet worden sein, vor allem von Spätheimkehrern aus den Wirtshäusern der unteren Vorstadt und von der Rußhütte nach Hause eilenden Zechern. Öfter hörten diese dazu das schreckliche Heulen von Wölfen.

Neuerdings, vor allem um die Siechenkirchweih herum, wurden zu mitter­nächtlicher Stunde wild umher galoppierende Pferde ohne Kopf, andere mit feurigen Nüstern und auch solche, die einen toten Reiter im Bügel hinter sich herschleiften gesehen und gehört.
Auf einer Wiese neben dem alten Siechenhaus hat nämlich während des 30jährigen Krieges ein Gemetzel zwischen bairischen und schwedischen Horden stattgefunden. Es war keine große Schlacht, die in den Geschichtsbüchern steht, sondern eher ein rein zufälliges Zusammentreffen von kleinen Gruppen, die sich aber gegenseitig nichts schenkten. Mehrere der Männer mussten bei diesem Kampf ihr Leben lassen; einige von ihnen haben wegen ihrer Wildheit und Rohheit bis heute noch nicht die ewige Ruhe gefunden.

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