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Entstehung Die
Ideen der Aufklärung waren auch nach
Böhmen gedrungen und hatten
Sittenlosigkeit, religiöse Gleichgültigkeit und Unwissenheit bewirkt. In
dieser Umbruchzeit nahm sich P. Gabriel Schneider (1812 - 1867) als einfacher
Weltpriester besonders der heranwachsenden Jugend an. Wie rund zwei Jahrhunderte
vorher Pierre Fourier in Frankreich war auch dieser fromme Priester überzeugt,
dass die frühe christliche Erziehung der Mädchen von entscheidender
Wichtigkeit für die religiöse Bildung und Erneuerung der Familien und damit
der gesamten Gesellschaft sei.
Gabriel Schneider plante, unter tatkräftiger Mithilfe seiner Pfarrgemeinde, in Hirschau, einem kleinen Dorf im Böhmerwald nahe der bayrischen Grenze, eine Mädchenschule einzurichten. Zu deren Führung wollte er Schulschwestern des Dritten Ordens des hl. Franziskus aus Graz nach Böhmen holen. Letzteres scheiterte jedoch in den Revolutionswirren des Jahres 1848. Die Grazer Oberin schickte die zwei Kandidatinnen aus Hirschau wieder in ihre Heimat zurück mit dem Hinweis, „daß sie bei den nun ausgebrochenen revolutionären Unruhen für das Leben derselben nicht sicherstehen könne“. Sie riet Gabriel Schneider, bei den staatlichen Behörden. nicht um Bewilligung einer klösterlichen, sondern einer gewöhnlichen Schule anzusuchen und günstigere Zeiten abzuwarten. Unterdessen sollten die Lehrerinnen in weltlichen Kleidern unterrichten.
1849 setzte sich Gabriel Schneider mit der Generaloberin der Armen Schulschwestern v. U.L.F. in München, M. Theresia Gerhardinger, in Verbindung. Auf die zunächst zustimmende Antwort Theresia Gerhardingers, die Schule in Hirschau eventuell als Filiale zu übernehmen, kamen 1851 drei Arme Schulschwestern von München nach Hirschau; zwei Kandidatinnen aus Hirschau wurden ins Noviziat des Münchner Mutterhauses aufgenommen. Widrige Umstände, z. B. ein unzureichender Fonds, führten jedoch dazu, dass sich die Verhandlungen um die endgültige Übernahme des Hirschauer Klosters in die Länge zogen und Theresia Gerhardinger schließlich nicht mehr gewillt war, das Haus als Filiale anzuschließen. Es meldeten sich aber immer mehr Schülerinnen und Kandidatinnen in Hirschau an. Der Ruf nach Einrichtung einer derartigen Mädchenschule kam auch von anderen Orten. Der damalige Bischof von Budweis, Johann Valerian Jirsik, gab den Rat, die Armen Schulschwestern de Notre Dame als selbständige Kongregation in Böhmen zu gründen. Auch der Erzbischof von München, Karl August von Reisach, empfahl, in Böhmen ein eigenes Mutterhaus zu errichten. Die
vier Kandidatinnen - zwei hatten bereits mehr als ein Jahr Noviziat in München
verbracht - kehrten wieder nach Hirschau zurück. Am 15. August 1853 fand in
Hirschau die erste Einkleidungsfeier und Professablegung statt. Aus dem bescheidenen und von vielen Widerständen begleiteten Anfang in Hirschau entwickelte sich in Kürze eine Gemeinschaft von Schwestern, die schon bald in ihrem Wirkungsfeld auf zahlreiche andere Städte und Dörfer Böhmens übergriff.
Fast ein Jahrhundert, genau bis zum Jahre 1950, blieb das Generalmutterhaus dann dort; in jenem Jahr wurden die Schwestern auf Anordnung des kommunistischen Regimes nach Javornik (bei Jesenik) umgesiedelt und von allen ordenseigenen Häusern zwangsenteignet. Der Generalsitz war nunmehr über vier Jahrzehnte in Javornik. 1995 verlegte die Kongregation den Sitz ihres Generalats nach Königgrätz (Hradec Kralove), nachdem ihr das dortige, über Jahrzehnte zweckentfremdete Kloster zurückgegeben worden war. (Schlacht von Königgrätz, 1866) In einem Schreiben vom 16. April 1858 verlieh Papst Pius IX. den Armen Schulschwestern de Notre Dame in Böhmen eine Reihe von Ablässen und wünschte ihnen: „ut sodalitium hujus modi adeo salubre ac frugiferum majora in dies juvante Deo suscipiat incrementa“ (damit dieser so heilsame und fruchtbringende Verein unter dem Beistand Gottes von Tag zu Tag größere Früchte trage).
Zu
Beginn des 20. Jahrhunderts war die Schwesterngemeinschaft in rund fünf
Jahrzehnten auf eine beachtliche Zahl von Mitgliedern angewachsen. Ein
Verzeichnis aus dem Jahre 1910 nennt: Neben der Tätigkeit in verschiedensten Arten von Schulen arbeiteten die Schwestern in dieser Zeit auch in Waisenhäusern, Bewahranstalten, Krippen, Kindergärten, Pensionaten, Konvikten für Studenten, Knabenseminaren und Priesterseminaren. In Prag hatten sie 1866 die erste tschechische Lehrerinnenbildungsanstalt gegründet. In den
Jahren 1910 und 1919 erfolgten weitere Gründungen in Amerika und in der
Slowakei. Vorteilhaft für die Zukunft erwies sich die Einteilung der böhmischen
Kongregation in fünf Provinzen im Jahre 1930: Nach dem 1. Weltkrieg setzte für die Kongregation in ihrem Stammland eine Periode von Schwierigkeiten, Leid und Verfolgung ein. So erfolgte eine Bodenreform die den böhmischen Adel so arm machte, dass er auf seinen Herrschaften die Kindergärten, Nähschulen und Waisenhäuser nicht mehr im bisherigen Umfang unterhalten konnte. Die Kongregation verlor dadurch Wirkungsbereiche in 14 Kindergärten, 18 Nähschulen und 9 Waisenhäusern. Im so genannten Dritten Reich erfuhren die Schwestern viel Leid und Verfolgung. Für das nationalsozialistische Regime war jede christliche Einrichtung ein Dorn im Auge. Gleich nach dem Anschluss des Sudetengaus an das Dritte Reich im Oktober 1938 mussten die deutschen Schulschwestern in Böhmen ihre Wirkungsbereiche in Schulen, Kindergärten, Waisenhäusern, Jugendheimen und Pensionaten verlassen. Die Klöster wurden vom Staat enteignet und in Krankenhäuser, Lazarette und sonstige staatliche Einrichtungen umgewandelt. In der Ordenschronik findet man für das Jahr 1942 eine schwarze Seite mit der Überschrift „Schulschwestern ohne Schulen!“ Neben verschiedenen Schikanen der nationalsozialistischen Herrschaft kamen zwei Oberinnen und später die Generaloberin ins KZ; die beiden Oberinnen wurden zu Märtyrerinnen ihres Glaubens.
Aufgrund der Potsdamer Beschlüsse traf alle deutschen Schwestern der Kongregation, insgesamt an die 200, das Los der Aussiedlung (1945/46). Die tschechischen Schwestern konnten vorerst die Stellen der deutschen einnehmen; doch 1950 wurden alle Ordensangehörigen von der kommunistischen Regierung aus ihren Häusern verjagt und gewaltsam in Sammelklöster abtransportiert. 778 Schwestern der Kongregation teilten dieses Los. Sie mussten 29 Kindergärten, 30 Kinderheime, 3 Kinderkrippen, 3 Priesterseminare, 7 Altenheime und 9 Studienheime verlassen, wo sie jahrzehntelang segens- und erfolgreich gewirkt hatten. Die neuen Arbeitsfelder der Schwestern bildeten Textilfabriken, Kolchosen und Baumschulen. Nur 188 Ordensmitglieder durften ihren Dienst in Altersheimen und Taubstummenanstalten ausüben. letzte Bearbeitung dieses Artikels am 11. August 2013
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