Galgenberg
Home Nach oben

 

 

 

 

 

 


 

 

 

Der Galgenberg

Ein besonders gefürchteter Ort in Auerbach war von jeher der Galgenberg *, wo in alter Zeit so manche Person - schuldig oder schuldlos - aufgeknüpft wurde. Schon allein das Wort Galgenberg ist unheimlich, ganz zu schweigen von der Richtstätte selber. Wohl zogen Neugierige in Scharen an jene Stätte, wenn eine Hinrichtung angekündigt war. Die Hinrichtungen waren ja öffentlich, und zeitweilig mussten die Ortsbewohner diesen sogar beiwohnen. Dies war allerdings immer bei helllichtem Tag, und man wollte sich doch das Schauspiel nicht entgehen lassen.
Doch bei Nacht war das eine ganz andere Sache. Die Gehängten baumelten nämlich oft tage-, wochen und sogar monatelang am Galgen, ehe der Abdecker oder Wasenmeister die Leiche bzw. das was davon noch übrig war abnahm. Da die Gehängten Ehrlose waren, durften sie nicht auf dem Friedhof bestattet werden, sondern wurden außerhalb desselben, meist unter oder neben dem Galgen, verscharrt.
Kein Wunder, dass es am Galgenberg häufiger als an anderen Orten „umging“.

* südlich des Rathauses auf einer Anhöhe Richtung Welluck gelegen; heute ein Straßenname unserer Stadt

An einem Sonntag Anfang November waren wie üblich ein paar Bernreuther Bauern zu Fuß in die Stadt zum Gottesdienst gegangen.

Sie hatten nach dem vormittäglichen Kirchenbesuch die Gelegenheit des Aufenthalts in Auerbach genutzt und in verschiedenen Gaststätten „dringend notwendige Geschäfte" erledigt.

Mitternacht war etwa eine halbe Stunde vorbei, als die Bernreuther ihre letzte Station beim „Weberteifl“ in der Oberen Vorstadt verließen und entschlossen den Weg in die stockfinstere Nacht hinaus antraten. Laut diskutierend und gestikulierend ließen sie den ereignisreichen Sonntag, der nun schon Montag war, nochmals Revue passieren und erzählten sich schallend lachend, wie sie wohl in Kürze zu Hause von ihren besorgten Ehefrauen empfangen würden. Es war eine recht lustige Gesellschaft, die vier Bauern aus Bernreuth.
Doch was war das denn, was ihnen das Lachen in der Kehle und das Blut in den Adern stocken ließ? Beim Friedhof auf Höhe der Leichenhalle sahen sie plötzlich rechterhand zum Galgenberg hin eine große Helle. Unzählige Lichter tänzelten wie verrückt um den Galgen, dessen schwarze Silhouette unheimlich in den Nachthimmel ragte und drohte. Der inzwischen aufgekommene Südwind trug zudem schaurige Hilferufe und ein durch Mark und Bein dringendes Jammern und Wimmern zu den Spätheimkehrern herüber. Wie gebannt blieben die sonst doch recht tapferen Männer stehen. Keiner der sonst schon recht, und jetzt durch den reichlichen Biergenuss noch besonders, redefreudigen Mannsbilder brachte eine Silbe mehr hervor.

Da schlug es vom Auerbacher Kirchturm her viermal für die volle Stunde und dann noch einmal für 1 Uhr. Schon mit dem ersten Glockenschlag waren die Lichter erloschen, die Hilferufe und das Gejammer verschwunden: der unheimliche Bann war gebrochen, die Geisterstunde vorbei.
Kreidebleich und ohne noch ein Wort miteinander zu wechseln schlichen die Vier heim. Es heißt, dass sie nie wieder einen Sonntag in Auerbacher Wirtshäusern verbrachten und nie wieder nach Mitternacht am Galgenberg vorbei gingen.

Home Nach oben